BGH, Urteil vom 16.11.2017 – I ZR 91/16 – „Handfugenpistole“ –
Einen Fall der Produktnachahmung nahm der Bundesgerichtshof (BGH) zum Anlass, nochmals auf einige Grundsätze des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) hinzuweisen.
Gemäß § 4 Nr. 3 UWG kann der Vertrieb einer Nachahmung wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände wie etwa eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei sind umso geringerer Anforderungen an diese besonderen Umstände zu stellen, je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind.
Wettbewerbliche Eigenart besitzt ein Erzeugnis dann, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen; nicht erforderlich ist hierfür, dass der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt.
Die wettbewerbliche Eigenart bestimmt sich nach dem Gesamteindruck des Erzeugnisses, wobei technisch notwendige Gestaltungsmerkmale prinzipiell keine wettbewerbliche Eigenart begründen können. Technisch bedingte, aber nicht notwendige, da frei austauschbare Merkmale können hingegen die wettbewerbliche Eigenart mitbegründen.
Im vorliegenden Fall stellen beide Parteien identische Waren (Handfugenpistolen) her und vertreiben diese u.a. über eine Baumarktkette. Sowohl das Modell der Klägerin als auch das der Beklagten werden von der Baumarktkette unter einer identischen Kennzeichnung vertrieben. Die Klägerin sah in der mit ihrem Modell identischen Ausführungsform der Beklagten eine unlautere Nachahmung und nahm die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten in Anspruch.
Während das Landgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen hat, gab das Oberlandesgericht Düsseldorf als Berufungsgericht der Klage statt. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und Entscheidung an das OLG Düsseldorf zurück.
Der BGH weist zunächst darauf hin, dass hinsichtlich aller die wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale der Kläger darlegungspflichtig ist.
Macht demgegenüber der Beklagte geltend, bestimmte Umstände ließen die wettbewerbliche Eigenart oder eine Herkunftstäuschung entfallen, so ist hierfür der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Vorliegend ging es vor allem um die Behauptung des Beklagten, das klägerische Produkt werde bereits umfangreich unter Fremdkennzeichnungen vertrieben, was geeignet ist, dessen wettbewerbliche Eigenart wieder entfallen zu lassen, wenn die angesprochenen Verkehrskreise die prägenden Gestaltungsmerkmale aufgrund der Art und Weise des Vertriebs nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller bzw. Unternehmen zuordnen, etwa, weil der Hersteller sein Erzeugnis an verschiedene Unternehmen liefert, die es (in größerem Umfang) unter eigenen Kennzeichnungen vertreiben, sofern der Verkehr darin Herstellerangaben sieht. Kann der Beklagte nicht aus eigener Kenntnis zum Umfang der Fremdkennzeichnungen vortragen, trifft wiederum den Kläger eine sekundäre Darlegungslast.
Hierzu fehlte es nach Auffassung des BGH an ausreichenden Feststellungen in der Vorinstanz. Sollte das OLG die wettbewerbliche Eigenart bejahen, so weist der BGH zu der sich hieran anschließenden Frage einer vermeidbaren Herkunftstäuschung noch auf folgende Gesichtspunkte hin:
- Soweit Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide unmittelbar miteinander vergleichen kann, kommt es auf die Frage der Bekanntheit des klägerischen Produkts nicht weiter an.
- Die Anbringung derselben Marke der Baumarktkette auf beiden Modellen stehe einer Herkunftstäuschung nicht entgegen, da beide Modelle eben gerade nicht von derselben Herstellerin stammten.
- Eine Herkunftstäuschung ist dann vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Dies ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Bei einer (nahezu) identischen Nachahmung ist es dem nachahmenden Wettbewerber zuzumuten, auf eine andere technische Lösung auszuweichen oder zumindest eine „deutlich sichtbare, sich vom Originalprodukt unterscheidende Kennzeichnung“ anzubringen, sofern der Verkehr die Nachahmung einem bestimmten Unternehmen „nicht allein anhand ihrer Gestaltung zuordnet, sondern sich beim Kauf auch an den Herstellerangaben in der Werbung, den Angebotsunterlagen oder an der am Produkt angebrachten Herstellerkennzeichnung orientieren“.